
Ein Gedankenexperiment: Individuelle Arbeitsmodelle als Lösungsansatz für den Fachkräftemangel
#Fachkräftemangel – Ein Begriff der aktuell auf dem besten Weg ist Wort des Jahres zu werden. An allen Ecken und Enden begegnet uns die Herausforderung der Unternehmen, Personal zu finden. Egal, wo wir hinschauen, überall entdecken wir Hinweise zu offenen Stellen. In diesem Blogbeitrag möchte ich einen Lösungsansatz für den Fachkräftemangel näher beleuchten.
Der Fachkräftemangel als gesellschaftliche Herausforderung
Wir stehen vor verschiedenen Herausforderungen, die die Problematik des Fachkräftemangels immer größer und das Bedürfnis nach einer Lösung immer stärker werden lassen. Das coronabedingte wirtschaftliche Auf und Ab einiger Branchen wie der Gastronomie, des Tourismus, der Flug- und Veranstaltungsbranche führt hier heute zu einem Personalmangel, der für jedermann und jederfrau an irgendeiner Stelle spürbar wird. Seien es kürzere Öffnungszeiten, Schließungen oder längere Wartezeiten. Nicht zu vergessen: der Gesundheitssektor, der durch die Pandemie auf den Kopf gestellt wurde und in dem an vielen Stellen helfende Hände benötigt werden.
Neben der Pandemie gibt es weitere Herausforderungen, die wir bei der Suche nach einem Lösungsansatz für den Fachkräftemängel berücksichtigen sollten. Im Fokus steht hier der demographische Wandel. Durch die alternde Gesellschaft wird die Zahl der erwerbsfähigen Menschen weiter sinken. Die demographische Entwicklung bringt mit sich, dass neue Generationen die Arbeitswelt dominieren. Wir müssen uns darauf einstellen, welche Motive und Werte für die Angehörigen dieser Generationen relevant sind und aufbauend auf dieser Basis eine Strategie entwickeln.
Mitarbeiterbindung bei der zukünftigen Erwerbsfähigen-Mehrheit
Arbeitnehmer der jüngeren Generationen scheuen schnellen Jobwechsel bei fehlender Bindung zum Arbeitgeber nicht. Arbeitgeberbindung ist kein Ziel dieser Erwerbsfähigen, was Unternehmen vor große Herausforderungen stellt. Für diese Arbeitnehmer stehen vielfältige Handlungs- und Verwirklichungsoptionen im Fokus und Arbeitgeber sollten die Chance ergreifen, einen Orientierungsrahmen zu bieten, um dem Wunsch nach einem Jobwechsel vorzubeugen.
Hier treffen verschiedene Herausforderungen aufeinander und Mitarbeiterbindung ist längst kein Selbstläufer mehr. Zukünftig werden Individualisierung, Sinnsuche und Komfort in der Praxis wachsende Relevanz verzeichnen. Verschiedenste Unternehmens- und Personalbereiche müssen ineinandergreifen, um erfolgreiche Maßnahmen für die Bindung dieser Generationen umzusetzen. Die Personalisierung der Arbeitsmodelle wird hier in meinen Augen an Bedeutung gewinnen.
Individualisierung in der Arbeitswelt
Was wäre, wenn wir unsere Arbeitsmodelle individualisieren? Wenn wir Teams aus verschiedensten Persönlichkeiten hätten, die aufgrund ihrer Wertevorstellung, ihrem Interesse am Thema und ihrer Skills zusammenarbeiten? Wenn kaum jemand mehr darüber nachdenken muss, ob das Gras auf der anderen Seite grüner sein könnte, weil der eigene Lebensstil den eigenen Bedürfnissen und Motiven entspricht?
Warum profitieren wir als Gesellschaft, als Individuum und als Wirtschaft nicht von unserer Vielfalt? Könnte die Individualität ein Lösungsansatz für den Fachkräftemangel sein?
Denken wird nochmal an die Personalnot in Gastronomie, Eventbranche und Tourismus. Meistens reden wir von Jobs die mit Arbeitszeiten einhergehen, die für viele Menschen nicht zum Alltag passen, einer Bezahlung, die nicht besonders hoch ist, oder einer Tätigkeit, von der wir denken „Das kann ja nicht alles sein, oder!?“. Vielleicht haben wir kein Interesse daran, einem derartigen Job in Vollzeit nachzugehen, aber eigentlich finden wir die Aufgabenbereiche oder das Umfeld trotzdem irgendwie cool und könnten uns dafür begeistern.
Zeitgleich haben wir Bürojobs, die dem ein oder anderen zu eintönig, zu ruhig oder langweilig erscheinen, wenn man nie etwas anderes sieht. Den ganzen Tag ohne Bewegung am Arbeitsplatz? Manche Leute bekommen schon bei dem Gedanken daran die Krise. Aber gibt es wirklich nur ein ganz oder gar nicht im Hinblick auf berufliche Möglichkeiten?
Schmeißen wir mal die Perspektive der kommenden Generationen mit den Möglichkeiten der Arbeitswelt in einen Topf, stellen wir fest, das Schwarz-Weiß-Denken fehl am Platz ist. Wir haben unterschiedliche Bedürfnisse, denen ein Job manchmal einfach nicht gerecht werden kann. Sollten wir deswegen unbedingt kündigen und uns einen neuen Job suchen? Auf keinen Fall. Denken wir doch lieber mal über individuelle Arbeitsmodelle nach.
Lasst uns ein Gedankenexperiment wagen!
Der Buchhalter, der an seinen zwei freien Arbeitstagen abends in einer Bar Cocktails mixt.
Der Filialmitarbeitende einer Bank, der einen Tag in der Woche bei einem Projekt zum regionalen Umweltschutz unterstützt.
Die Architektin, die zwischen ihren Bauprojekten Yogareisen anbietet.
Der Geschäftsführer aus dem Mittelstand, der jeden Freitag in einer Werkstatt Oldtimer restauriert.
Die Mutter, die zwei Vormittage in der Woche die städtischen Veranstaltungspläne erarbeitet.
Der Arzt, der sich seine Position mit einer anderen Ärztin teilt, um zwei Tage in der Woche bei seiner Familie zu sein.
Die Pflegekraft, die ihre Nachmittage mit Softwareentwicklung verbringt.
Die Webdesignerin, die einen Tag in der Woche an einer Schule einen Kurs „Nachhaltigkeit“ unterrichtet.
Der Steuerberater von der Küste, der vormittags in seiner Kanzlei tätig ist und nachmittags Surfunterricht gibt.
Die Personalleiterin, die einen Tag in der Woche, statt im Büro zu sitzen, bei Festivals organisiert.
Der Friseur, der zwei Tage wöchentlich als Rettungssanitäter unterwegs ist.
Was wäre dann anders?
Wie ich zu diesen Annahmen komme? Ich habe es selbst getan.
Mein persönliches Arbeitsmodell
Mit Hilfe eines Karrierecoachings habe ich mich sehr intensiv mit mir selbst beschäftigt. Mir wurde klar, wofür ich brenne, was mich ausmacht, welche Bedürfnisse ich habe und was für mich wichtige Rahmenbedingungen sind. Seit August 2021 arbeite ich als Key Account und Sales Managerin bei Belonio. Ein Unternehmen, mit dessen Werten, Vision und Produkt ich mich identifiziere und wovon ich mehr als nur überzeugt bin. In einem großartigen Team kann ich jeden Tag einen Schritt für mehr Wertschätzung in der Arbeitswelt leisten und das ist genau mein Ding!
Doch ich arbeite nur von Montag bis Donnerstag dort. Anfangs traf ich diese Entscheidung, weil ich die Zeit für mich brauchte und ein Tag mehr für Aktivitäten mit Freunden und Familie oder auch, um einfach mal allein etwas zu unternehmen, mir nochmal mehr Energie gibt. So bin ich an den verbleibenden Arbeitstagen produktiver und fokussierter. Für meine Kunden ist das kein Problem. In meiner Signatur ist klar ersichtlich, dass ich nur von Montag bis Donnerstag erreichbar bin, und freitags geht eine Abwesenheitsnotiz raus, die einen direkten Link zu meinem Kalender beinhaltet, sodass man sich einfach für die kommende Woche einen Termin buchen kann wenn nötig. Hat jemals jemand genervt oder mit Unverständnis reagiert? Überhaupt nicht. Im Gegenteil. Ich stoße auf Verständnis und höre häufiger, dass das ein Arbeitsmodell ist, was sich mein Gegenüber auch gut vorstellen könnte.
Neben diesem Vier-Tage-Job habe ich ein Studium im HR-Management absolviert – einfach, weil mich die Themen interessieren. Außerdem habe ich eine Ausbildung zum Laufbahn- & Karrierecoach und zum Systemischen Coach gemacht. Ich wollte neue Dinge lernen, mich selbst weiter reflektieren und herausfinden, ob diese Tätigkeit auch etwas für mich sein könnte.
Der Schritt in die nebenberufliche Selbstständigkeit
Laufbahncoaching war mein Ding. Andere Menschen dabei zu unterstützen, herauszufinden, was sie beruflich glücklich und zufrieden macht ist etwas Großartiges. Viel zu oft höre ich in meinem Umfeld, dass jemand seine berufliche Tätigkeit eigentlich gar nicht mag und jedes Mal finde ich es erschreckend, wie man Jahre mit etwas verbringen kann, was gar nicht zu einem passt. Ich entschied mich dazu, mich nebenberuflich selbstständig zu machen. Und nun bin ich zufriedener als je zuvor. Durch die Möglichkeit verschiedene Rollen einzunehmen, fühle ich mich vollständig. Das Gefühl lässt sich schwer beschreiben, aber für mich ist es eine Art innerer Harmonie, weil alles, was ich tue zusammenpasst, meinen Motiven und Werten entspricht und einen Mehrwert für die Gesellschaft bietet.
Angestellt im Key Account und Sales Management bei Belonio, selbstständig als Laufbahncoach, ehrenamtlich tätig für den guten Zweck und dankbar für gute Beziehungen zu Freunden und Familie und die Möglichkeit parallel noch privaten Interessen und Hobbys nachgehen zu können. Das ist mein individuelles Arbeitsmodell integriert in meinen Lebensstil. Das bin ich!
Fakt ist: Wir müssen umdenken!
Leichter gesagt als getan und sicher kommen auch schnell Gedanken zum Thema Lohnsteuerklassen etc. in eure Köpfe, aber versucht es doch einfach mal. Nutzt die Chance aufzublühen und eure Energie dort einzubringen, wo sie für alle die beste Wirkung erzielt!